Die Goodwillabschreibung als Indikator für Managementqualität
TOP-THEMA im Juli 2015:
Die Goodwillabschreibung als Indikator für Managementqualität (von Prof. Dr. Henning Zülch)
Schaut man sich die aktuelle Diskussion in der Bilanzierungspraxis aber auch im wissenschaftlichen Schrifttum zur nationalen wie internationalen Rechnungslegung einmal genauer an, so fällt auf, dass sich diese sehr häufig auf den Bereich der Goodwillbilanzierung fokussiert (vgl. m.w.N. THORMANN/BRAUN [2015]). Welche Gründe gibt es für diesen permanenten Diskussionsbedarf? Ist die Goodwillbilanzierung wirklich – wie vielfach behauptet wird – eine Spielwiese für Manager? Zunächst ist in einem ersten Schritt zu klären, was unter einem Goodwill eigentlich zu verstehen ist, um sich in einem zweiten Schritt der Kritik an der Goodwillbilanzierung zu nähern.
Der Goodwill wird in der IFRS-Rechnungslegung – aber auch ähnlich nach nationalen Regelungen als Vermögenswert definiert, der künftigen wirtschaftlichen Nutzen aus anderen bei einem Unternehmenszusammenschluss erworbenen Vermögenswerten darstellt, die nicht einzeln identifiziert und separat angesetzt werden (IFRS 3, Appendix A). Konkret heißt dies, dass der Goodwill den positiven Unterschiedsbetrag aus einem im Rahmen eines Unternehmenskaufs entrichteten Gesamtkaufpreis und den Zeitwerten der einzeln übernommenen Vermögenswerte abzüglich der korrespondierenden Schulden im Zeitpunkt der Übernahme darstellt. Der so bilanzierte positive Unterschiedsbetrag wird als immaterieller Vermögenswert qualifiziert und symbolisiert den Wert, welcher nicht bilanziell erklärbar ist. Dieser Wert verkörpert gewissermaßen das Zukunftspotenzial des übernommenen Unternehmens. Dieses Zukunftspotenzial beruht auf den dem übernommenen Unternehmen innewohnenden Vorteilen, wie speziellem Know-how, einem erfahrenen und qualifizierten Mitarbeiterstamm und Management oder den eingespielten Organisationsstrukturen.
Kritisch am immateriellen Vermögenswert ‚Goodwill‘ wird seine Folgebewertung gesehen. In der internationalen Rechnungslegung erfolgt ein sogenannter Impairment-only Approach. So wird nach IFRS 3 der Goodwill nicht planmäßig über seine voraussichtliche Nutzungsdauer abgeschrieben, sondern es wird lediglich eine außerplanmäßige Abschreibung im Falle einer Wertminderung vorgenommen. Ein Goodwill bleibt nach diesem Vorgehen so lange mit seinem ursprünglichen Wert aktiviert, bis ein gemäß IAS 36 durchzuführender Niederstwerttest eine Wertminderung erfordert. Eine identifizierte Wertminderung ist zwingend erfolgswirksam zu erfassen. Im deutschen Handelsrecht hingegen wird eine planmäßige Abschreibung präferiert. Als Nutzungsdauer für einen Goodwill sind bis zu fünf Jahre zulässig. Eine über fünf Jahre hinausgehende Nutzungsdauer ist im Anhang zu begründen (vgl. zur aktuellen Diskussion auch MUJKANOVIC [2015]). Anhaltspunkte zur Bestimmung der individuellen Nutzungsdauer eines Goodwills können u.a. der Lebenszyklus der Produkte des erworbenen Unternehmens, die Stabilität der Branche des erworbenen Unternehmens oder die voraussichtliche Verweildauer essentieller Mitarbeiter bzw. Mitarbeitergruppen sein.
Mit Blick in die Historie der Goodwill-Bilanzierung auf internationaler Ebene muss interessanterweise festgestellt werden, dass der Impairment-only Approach erst mit der Veröffentlichung von IFRS 3 und der Überarbeitung der Regelungen des IAS 36 im Jahre 2004 verpflichtend eingeführt wurde. Zuvor dominierte die planmäßige Abschreibung im Rahmen der Folgebewertung des Goodwills. Das IASB begründet seine Abkehr von der planmäßigen Abschreibung eines Goodwills damit, dass dieser ein immaterieller Vermögenswert mit unbestimmter Nutzungsdauer sei. Wählt man dagegen eine planmäßige Abschreibung, so sei die geschätzte künftige Nutzungsdauer des Goodwills willkürlich festgelegt und für die Abschlussadressaten demzufolge nicht als entscheidungsnützliche Information zu qualifizieren. Vielmehr sei der Goodwill nur dann abzuschreiben, wenn ein Niederstwerttest einen Werteverlust anzeige. Nur in diesem Fall wird der Goodwill auch wirklich entsprechend seinem tatsächlichen Wertverlauf abgebildet. Dieser Argumentation kann indes entgegengehalten werden, dass eine unveränderte Goodwillhöhe in den Folgejahren nur dadurch zustande kommt, dass der Wertverlust eines Goodwills durch kontinuierliche Investitionen in einen originären, selbst geschaffenen Goodwill kompensiert werde. Folglich wird der Aktivierung eines originären Goodwills damit eine Hintertür geöffnet.
Zur Beurteilung des Impairment-only Approach hilft das wissenschaftliche Schrifttum. So kann unzweifelhaft im angelsächsischen Schrifttum die Wertrelevanz des Impairment-only Approach nachgewiesen werden (vgl. CHALMERS et al [2008], AHARONY et al. [2010], HORTON/SERAFEIM [2010], OLIVEIRA et al. [2010]). Die außerplanmäßige Abschreibung ist einer planmäßigen Abschreibung auf Basis empirischer Erkenntnisse vorzuziehen. Negativ beurteilt wird allerdings der erhebliche Ermessensspielraum bei der jährlichen Bestimmung des Wertminderungsbedarfs, welcher für das bilanzierende Unternehmen und dessen Management besteht (vgl. m.w.N. STORK GENANNT WERSBORG et al. [2014]). Diese Ermessensspielräume lassen sich gezielt abschlusspolitisch nutzen. Gerade kapitalmarktorientierte Anreize spielen bei der Ausübung der Ermessenspielräume eine wesentliche Rolle. Unter den kapitalmarktbezogenen Anreizen werden unterschiedliche Bilanzierungsstrategien zusammengefasst. Ergebnisglättung (Income Smoothing) und Big Bath Accounting lassen sich in diesem Zusammenhang hervorheben. Unter Ergebnisglättung wird der Versuch des Unternehmens verstanden, die Schwankungen des Jahresergebnisses zu minimieren. Dadurch kann das durch die Kapitalmarktteilnehmer wahrgenommene Risiko verringert und somit der Aktienkurs erhöht werden (vgl. TRUEMAN/TITMAN [1988]). Big Bath Accounting beschreibt dagegen die Strategie des Managements, Wertminderungen so lange hinauszuzögern, bis das Ergebnis eines Jahres ohnehin unterhalb der Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer liegt. In jenem Jahr werden sodann die Wertminderungen nachgeholt, so dass insgesamt ein außerordentlich schlechtes Ergebnis erzielt wird. Durch den hohen Wertminderungsaufwand in einem Jahr signalisiert das Unternehmen, dass es bis dahin bestehende Probleme erfolgreich gelöst hat. Zusätzlich kann durch die (nachträgliche) Erfassung der bis dahin verzögerten Wertminderungen in Kombination mit der (vorgezogenen) Erfassung noch nicht entstandener Wertminderungen eine Reserve für die nächsten Jahre geschaffen werden (vgl. STRONG/MEYER [1987]). Neben kapitalmarktorientierten Anreizen sind vertragliche Anreize für die Ausübung der Ermessensspielräume relevant. So ist davon auszugehen, dass ein Unternehmen, das nah an einem Bruch seiner Kreditvereinbarungsklausel ist, ergebniserhöhende Maßnahmen durchführt (vgl. DUKE/HUNT [1990]) bzw. Abschreibungen auf den Goodwill weitgehend vermeiden wird, um das Jahresergebnis und die damit verbundenen Kennzahlen positiv zu gestalten.
Können Indizien u.a. auf Basis einer Analyse des Geschäftsberichtes für eine abschlusspolitisch motivierte Ausübung der Ermessenspielräume im Rahmen der Folgebewertung des Goodwills identifiziert werden, so ist dies ein Indikator für ‚Earnings Management‘ seitens des bilanzierenden Unternehmens. Zugleich bedeutet dies, dass das Management aufgrund kapitalmarktorientierter und/oder vertraglicher Anreize nicht gewillt ist, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der wirtschaftlichen Lage des bilanzierenden Unternehmens zu zeichnen. Die Qualität der Managementleistung ist infrage zu stellen. Darüber hinaus ist ebenso die Wertentwicklung der Bilanzposition ‚Goodwill‘ ein Gradmesser für die Qualität des Managements. Erhöht sich der bilanzierte Wert über die Jahre, so kann zum einen davon ausgegangen werden, das kaum oder nur geringfügige Goodwillabschreibungen erfolgten. Zum anderen besteht für künftige Geschäftsjahre ein zunehmendes Wertminderungsrisiko, welche künftige Jahresergebnisse unverhältnismäßig belasten würde.
Da die Bilanzierung des Goodwills auch für das deutsche Enforcement eine Risikoposition darstellt, ist es gerade für kapitalmarktorientierte Unternehmen in ihrem Streben nach Glaubwürdigkeit besonders bedeutsam, transparent über die Goodwillbilanzierung zu berichten und zugleich ihre gesamte Kommunikation mit dem Kapitalmarkt (Reporting und Investor Relations) in diesem Bereich konsistent zu gestalten, was, wie aktuelle Auswertungen zeigen, nicht immer selbstverständlich ist (vgl. PALAN [2014]).
SCHRIFTTUM
AHARONY, J./BARNIV, R./FALK (2010): The impact of mandatory IFRS adoption on equity valuation of accounting numbers for security investors in the EU, in: European Accounting Review, 535-578.
CHALMERS, K./CLINCH, G./GODFREY, J. M. (2008): Adoption of International Financial Reporting Standards: Impact on the value relevance of intangible assets. Australian Accounting Review, 237-247.
DUKE, J. C./HUNT, H. G. (1990): An Empirical Examination of Debt Covenant Restrictions and Accounting-Related Debt Proxies, Journal of Accounting and Economics, S. 45–63.
HORTON, J./SERAFEIM, G. (2010): Market reaction to and valuation of IFRS reconciliation adjustments: First evidence from the UK. Review of Accounting Studies, 725-751.
MUJKANOVIC, R. (2015): Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts: Aufgabe des Vorsichtsprinzips und normierter Rechtsbruch, in: StuB, S. 292-293.
OLIVEIRA, L./RODRIGUES, L. L./CRAIG, R. (2010): Intangible assets and value relevance: Evidence from the Portuguese stock exchange. The British Accounting Review, 241-252.
PALAN, D. (2014): Mister 350 Prozent, in: manager magazin, Heft 10, S. 82-99.
STORK GENANNT WERSBORG, T./TEUTEBERG, T./ZÜLCH, H. (2014): 10 Years Impairment-only Approach – Stakeholders’ Perceptions and Researchers’ Findings, Working Paper 2014 (abrufbar unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2494524 ).
STRONG, J. S./ MEYER, J. R. (1987): Asset Writedowns: Managerial Incentives and Security Returns, The Journal of Finance, S. 643–661.
THORMANN, B./BRAUN, R. (2015): Goodwill im Fokus der Deutschen Prüfstelle für Rechnungswesen (DPR), in: Der Konzern, S. 155-161.
TRUEMAN, B./TITMAN, S. (1988): An Explanation for Accounting Income Smoothing, Journal of Accounting Research, S. 127–139.
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