Managementwechsel und Bilanzierungsfehlverhalten – erste Erkenntnisse aus Deutschland
TOP-Thema im Februar 2016:
Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Zülch und Matthias Höltken, M.Sc., beide HHL Leipzig Graduate School of Management, Leipzig
EXECUTIVE SUMMARY
Die Wahrscheinlichkeit eines Vorstandswechsels ist bei Unternehmen mit fehlerhaftem Abschluss um 14 % höher als bei Unternehmen mit fehlerfreien Abschlüssen.
Die Wahrscheinlichkeit für einen Vorstandswechsel ist umso höher, …
… je unangemessener die bilanziellen Ermessensspielräume ausgeübt werden,
… je unvollständiger die Berichterstattung im Lagebericht ist und
… je weniger mit der DPR kooperiert wird.
Vorstände sind einer Vielzahl an Reizen ausgesetzt, die zu einer verzerrten Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in den von Ihnen verantworteten Konzern- oder Einzelabschlüssen führen können. Bilanzskandale Anfang dieses Jahrtausends – z.B. bei Enron, Worldcom, ComRoad oder Flowtex – führten zu einer Verschärfung der Governance-Vorschriften und der Rechnungslegungsregeln sowie deren Durchsetzung auf supranationaler sowie nationaler Ebene.
In Konsequenz werden seit 2005 kapitalmarktorientierte Unternehmen regelmäßig durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) auf die konsistente sowie verlässliche Abbildung einzelner, häufig komplexer Bilanzierungssachverhalte geprüft. Unterstützt wird die DPR dabei durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die über die notwendigen Befugnisse verfügt, um die Unternehmen einerseits zur Mitwirkung und andererseits zur Veröffentlichung eines ggfs. festgestellten Bilanzierungsfehlverhaltens zu verpflichten.
Dieses zweistufige Enforcement-Verfahren beruht auf dem Mechanismus der adversen Publizität. Dies bedeutet, dass ein von der DPR oder der BaFin festgestelltes Bilanzierungsfehlverhalten durch Veröffentlichung den Stakeholdern des Unternehmens bekannt gemacht wird. Dies ermöglicht zum einen die präventive Wirkung durch Kenntnisnahme fehlerhafter Bilanzierungssachverhalte anderer Unternehmen und zum anderen die sanktionierende Wirkung für Unternehmen, die einen fehlerhaften Abschluss erstellen.
Der bisherige Kenntnisstand zum Sanktionsmechanismus des deutschen Enforcement-Verfahrens konzentriert sich überwiegend auf die Kapitalmarktkonsequenzen auf Unternehmensebene und zeichnet dabei ein heterogenes Bild bzgl. der Effektivität des Sanktionsmechanismus (vgl. für einen Überblick die Studien von HÖLTKEN/EBNER [2015] sowie EBNER/HÖLTKEN/ZÜLCH [2015]. Die jüngst erschienene Studie von HÖLTKEN/JANA/ ZÜLCH [2016]) ergänzt diese Erkenntnisse mit Blick auf mögliche Konsequenzen für CEOs und CFOs. Hierzu werden die Vorstandswechselhäufigkeiten von 103 Unternehmen, die im Zeitraum von 2006-2013 eine Fehlerfeststellung veröffentlicht haben, den Vorstandswechselhäufigkeiten bei 103 Vergleichsunternehmen ohne entsprechende Fehlerfeststellung einander gegenübergestellt. Ersichtlich wird, dass die Wechselhäufigkeit für Vorstände, die einen fehlerhaften Abschluss verantworten, um ca. 14% höher ist (65% zu 51%) als in den Vergleichsunternehmen.
Eine darüber hinausgehende multivariate Determinantenanalyse zeigt überdies, dass das Bilanzierungsfehlverhalten nur in geringem Maße ausschlaggebend für die Wechselunterschiede ist. Vielmehr dominieren andere Faktoren – wie Unternehmensgröße, Anstellungsdauer und Unternehmensergebnis – die Vorstandswechselhäufigkeit. Darüber hinaus analysieren die Autoren qualitative und quantitative Faktoren der in den Fehlerfeststellungen enthaltenen Fehlertypen. Hierbei wird ersichtlich, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Vorstandswechsel höher ist, wenn aufgrund unangemessener Ausübung von Ermessensspielräumen oder falscher bzw. unvollständiger Berichterstattung im Lagebericht das Bilanzierungsfehlverhalten festgestellt wird. Des Weiteren ist ein Vorstandswechsel regelmäßiger zu beobachten, wenn das Unternehmen eine Kooperation mit der DPR verweigert und somit eine Uneinsichtigkeit bzgl. des festgestellten Bilanzierungsfehlverhaltens signalisiert.
SCHRIFTTUM
EBNER, G./HÖLTKEN, M./ZÜLCH, H. (2015): Determinants of Investor Reactions to Error Announcements – Extended Evidence from Germany. HHL Working Paper 141 (abrufbar unter http://www.hhl.de/fileadmin/texte/publikationen/arbeitspapiere/hhlap0141.pdf).
HÖLTKEN, M./EBNER, G. (2015): Enforcement of Financial Reporting – A Corporate Governance Perspective. HHL Working Paper 150 (abrufbar unter: http://www.hhl.de/fileadmin/texte/publikationen/arbeitspapiere/hhlap0150.pdf).
HÖLTKEN, M./JANA, S./ZÜLCH, H. (2016): The Association Between Executive Turnover and Financial Misreporting – Evidence from Germany. HHL Working Paper 151 (abrufbar unter: http://www.hhl.de/fileadmin/texte/publikationen/arbeitspapiere/hhlap0151.pdf).
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!