Finanzkommunikation im Profi-Fußball: Ist die mit einer Börsennotierung einhergehende Transparenz eher Fluch oder Segen für den BVB?

Interview zwischen Dr. Robin Steden, Legal Counsel und Head of Investor Relations bei Borussia Dortmund, und Prof. Dr. Henning Zülch, Lehrstuhlinhaber an der HHL Leipzig Graduate School of Management, zum Thema Transparenz und Finanzkommunikation im schnelllebigen Fußballgeschäft.

Lieber Herr Dr. Steden, in den letzten Wochen ist viel passiert und dies nicht nur sportlich. Lassen Sie uns aber zunächst mit einer grundlegenden Frage beginnen. Welche Bedeutung besitzt der Bereich Investor Relations für den BVB bzw. wie definieren Sie Ihre Rolle im Unternehmen?

Dr. Steden: Zielsetzung der Investor Relations-Arbeit unserer Gesellschaft ist die angemessene Bewertung der BVB-Aktie durch den Kapitalmarkt. Grundlage hierfür ist die kontinuierliche und offene Kommunikation mit allen Marktteilnehmern. Investor Relations bildet dabei die ideale Schnittstelle zwischen institutionellen Investoren, Finanzanalysten und Privatanlegern. Die Gesellschaft will das Vertrauen der Investoren und der Öffentlichkeit durch zeitnahe und transparente Veröffentlichung ihrer Finanzzahlen, Geschäftsvorgänge, Strategien sowie Risiken und Chancen rechtfertigen. Wir fühlen uns den Kommunikationsgrundsätzen wie Offenheit, Kontinuität, Gleichbehandlung und Glaubwürdigkeit verpflichtet, um so eine vertrauensvolle und langfristige Beziehung zu den Marktteilnehmern aufzubauen und ein richtiges Bild des Unternehmens (true and fair view) zu vermitteln.

In unseren Analysen zur Finanzkommunikation kapitalmarktorientierter Unternehmen konnten wir feststellen, dass eine gute Kommunikation vom Markt honoriert wird. Teilen Sie diese Auffassung?

Dr. Steden: Diese Auffassung teilen wir uneingeschränkt, wenngleich sicher mit Blick auf unser Unternehmen zu konstatieren ist, dass wir einen restriktiveren IR-Kommunikationsstil im Vergleich zu manch anderem Unternehmen pflegen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass unser Unternehmen insbesondere durch eine Vielzahl täglicher sportlicher Meldungen medial überproportional präsent ist. Insoweit gilt für unsere IR „Weniger ist manchmal mehr“.

Das Geschäftsmodell eines Profisportclubs, wie das des BVB, ist wahrlich nicht prädestiniert für den Kapitalmarkt. Macht ein Listing hier überhaupt Sinn? Mit welchen besonderen Herausforderungen ist Borussia Dortmund in diesem Zu-sammenhang konfrontiert?

Dr. Steden: Wir erlauben uns, diese Sinnfrage nicht mehr zu stellen. Denn die Börsennotierung war etwas, was wir mit dem Wechsel des Managements 2004/2005 nun einmal vorgefunden haben. Wir haben uns – bis heute – vorgenommen, das Beste daraus zu machen und fühlen uns durch die nachhaltige Kursentwicklung der letzten Jahre bestätigt. Zudem hat uns die Börsennotierung immens im Zuge der Restrukturierung des Unternehmens geholfen. Das damit eingehende gesteigerte Pflichtenheft als „Kehrseite der Medaille“, welches unsere nationalen und internationalen Wettbewerber (sofern diese Clubs bzw. Unternehmen nicht selbst börsennotiert sind) nicht erfüllen müssen, nehmen wir mit westfälischer Ruhe und Gelassenheit hin. Letzteres ist ohnehin ein guter Ratgeber für Dinge, die man nicht ändern kann. Denn ein „Delisting“ ist keine ökonomisch sinnvolle Handlungsalternative für uns. Eine besondere Herausforderung für unsere IR ist und bleibt natürlich die geringere Planbarkeit unseres Geschäftes.

Wie lässt sich die Volatilität des Geschäftsmodells, d.h. die im Vergleich zu anderen Unternehmen verringerte Planbarkeit des Unternehmenserfolgs, eindämmen? Welche Unternehmensbereiche lassen das Risiko eines sportlichen Misserfolgs reduzieren?

Dr. Steden: Wir pflegen mit unseren Sponsoren wie Evonik, Signal Iduna und/oder Puma mittel- bis langfristige Partnerschaften, was mit einer Planbarkeit von Umsatzerlösen einhergeht. Die Verwertungserlöse der Fernsehrechte sind planbar, wenn auch vom sportlichen Erfolg abhängig. Die Verteilungsschlüssel der DFL gewährleisten aber, dass sie nur „ein“ sportlich schlechtes Jahr nicht weit zurückwirft. Ansonsten helfen ein sorgfältiges Risikomanagement und viele andere Tools, die andere nicht sportaffine Unternehmen auch anwenden, wie Kostenmanagement, Controlling, Haushalts- und Investitionspläne (Budget), die sich an einer ganzjährigen Liquiditätsplanung ausrichten, etc. Aufgrund der sportlichen Unwägbarkeiten verfolgen wir hier aber einen konservativen Planungsansatz, was das Erreichen sportlicher Ziele und damit verbundener Einnahmen betrifft.

Die BVB-Aktie hat in den letzten zwölf Monaten einen großen Sprung gemacht – von ca. 4.00 EUR/Aktie auf nunmehr knapp 6.00 EUR/Aktie. Wie ist dieser Anstieg zu erklären? Waren die Erwartungen – gerade im sportlichen Bereich – nicht höhere? Welchen Anteil hat IR an dieser Entwicklung?

Dr. Steden: Unser Unternehmen hat sich nachhaltig entwickelt. Gestiegene Umsätze, über sieben Jahre in der Gewinnzone, teilweise sogar deutlich, einschließlich Dividendenzahlung. Ein weiterhin boomender Sport/Entertainment-Markt. Höhere sportliche Erwartungen bestanden dabei nicht. Der Anteil der IR sollte dabei nicht überschätzt werden. Zunächst einmal zählt die gute Unternehmensleistung. Aufgabe der IR ist „nur“ diese entsprechend darzustellen und zu verbreiten.

Welche Informationen sind Ihrer Meinung nach kursrelevante Informationen für einen Fußballclub? Sind Spieltagsergebnisse kurzfristig relevant oder sind diese bereits im Aktienkurs eingepreist? Spiegelt sich eine Trainerdiskussion im Kurs wieder?

Dr. Steden: Kurzfristige Spieltagsergebnisse in der Bundesliga sind zumindest heute nicht mehr wesentlicher “influencer” des Kurses. Gewisse Schlüsselspiele in den KO-Runden der UEFA-Wettbewerbe sicher schon. Die Diskussion wichtiger Personalfragen kann wie bei jedem Unternehmen natürlich eine Rolle spielen, jedoch sind gerade Trainer bis auf ganz wenige Ausnahmen in unserem Geschäft „temporäre“ Erscheinungen. Insoweit würde ich ihren Stellenwert als gegeben, aber nicht als zu hoch erachten. Selbst die großen namhaften Trainer des europäischen Clubfußballs garantieren nicht automatisch sportlichen Erfolg.

Welche Bedeutung besitzt die Aktionärsstruktur für den Erfolg des Unternehmens Borussia Dortmund? Ist ein Freefloat von nahezu 60% nicht zu riskant für das betriebene Geschäft?

Dr. Steden: Eine große Bedeutung. Denn strategische Partner wie Sponsoren auf der „shareholder“-Seite erhöhen die Chance, dass wirtschaftlicher und sportlicher Erfolg sich nicht ausschließen, sondern in Gleichklang zu bringen ist. Das war bereits vor dem nachhaltigen Wechsel der Aktionärsstruktur im Jahre 2014 das Credo des derzeitigen Managements und wird durch unsere derzeitigen „major shareholder“ verstärkt. Mit dem Freefloat fühlen wir uns dabei ebenso wohl, gewährleistet er doch auch ein gewisses Maß an Trade Volume der Aktie, was für unsere Indexierung im S-Dax nicht unwichtig ist.

Der Bombenanschlag auf den BVB-Mannschaftsbus am 11.04.2017 hat gezeigt, dass ein Listing auch andere Gefahren mit sich bringen kann. Welche Kommunikation verlangte der Kapitalmarkt im Nachgang zu diesem Ereignis von Ihnen?

Dr. Steden: Verlangen ist aus meiner Sicht das falsche Wort. Uns erreichten – nach einem gewissen pietätvollen zeitlichen Abstand ‑ natürlich Fragen, wie man als Unternehmen in Risikomanagement damit umgeht.

Betrachtet man Ihre unmittelbaren Konkurrenten in der Bundesliga, so fällt auf, dass der BVB aufgrund seines Listings die höchsten Transparenzanforderungen erfüllen muss. Ist dies nicht auf lange Sicht ein unfairer Wettbewerb? Was muss sich ändern?

Dr. Steden: Natürlich wäre es wünschenswert, wenn unsere Wettbewerber, insbesondere fremdfinanzierte Clubs, mit gleicher Transparenz arbeiten würden. Das Unternehmensregister schafft in Deutschland mit zeitlichem Versatz zumindest nachträglich eine etwas klarere Sicht. Auf nationalem Level hat die Liga (DFL) mit dem Lizenzierungsverfahren ein nachhaltiges und gutes „set of rules“ implementiert, welche zumindest der DFL transparente Einsicht in die Lage der Bundesligaklubs verschafft. Auf europäischem Level gibt es bei der UEFA zudem die „Financial Fairplay“-Rules, die nicht so schlecht sind, wie mancherorts behauptet wird. Ändern müsste sich aus unserer Sicht daher nichts zwingend. Ein „Gesetz ist jedoch nur so gut wie seiner Anwender“. Darin besteht die Herausforderung.

Das Interview führte Prof. Dr. Henning Zülch.

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